Stuttgarter Zeitung

8. Oktober 2015  

Software für die Krimi­Hochspannung

Porträt: Der in Berlin lebende Schweizer Regisseur Florian Froschmayer hat die Zukunft des Filmemachens neu erfunden.

Wenn ein Regisseur erst eine melancholische Romanze dreht und dann einen „Tatort“ voller Hochspannung, zeigt dies vor allem eins: der Mann liebt die Abwechslung. Mindestens ebenso wichtig ist Florian Froschmayer jedoch die akribische Vorbereitung seiner Filme. Das mag damit zu tun haben, dass er Schweizer ist. Er selbst allerdings ist überzeugt, dass die meisten Kollegen genauso arbeiten wie er und sich darüber ärgern, dass man „seine Vorbereitungen nächtelang neu sortieren muss“, je näher der Drehstart rückt. „Man orientiert sich natürlich am Drehbuch“, sagt Froschmayer, „aber ein Film wird ja nicht chronologisch gedreht. Die Drehpläne ändern sich bis kurz vor Drehbeginn dauernd. Man muss dann jedes Mal von vorne anfangen.“ Also hat er schon vor Jahren einen Weg gesucht, wie sich dieser Vorgang vereinfachen lässt, und eine rudimentäre Datenbank entwickelt, die seine Notizen zur Kameraauflösung und zu den
Figuren bei jeder Drehplanänderung neu sortiert hat.

Das Programmieren hat
sich der zum eidgenössischen Diplomkaufmann ausgebildete Froschmayer ebenso selbst
beigebracht wie das Filmemachen. Er hat schon als Jugendlicher auf dem Spielcomputer C 64 erste kleine Programme geschrieben. Sein Lebensmotto lautet: „Wenn es einfach wäre, würde es jeder machen“ – und dazu passt auch seine Selbsteinschätzung: „Ich bin einerseits wahnsinnig ungeduldig, andererseits aber auch sehr stur, wenn es darum geht, etwas durchzuboxen. Es hat Jahre gegeben, in denen ich gar nicht gedreht habe.“

Deshalb hebt er auch nicht ab, nur weil ARD und ZDF in diesem Jahr gleich drei Filme von ihm gezeigt haben: im Mai die Sozialkomödie „Es kommt noch besser“, vor einigen Wochen den ersten „Tatort“ nach der Sommerpause („Ihr werdet gerichtet“) und kürzlich „Süßer September“.

Dass der „Tatort“ aus Luzern „eine knallermäßige Quote“ erzielte, hat Froschmayer natürlich gefreut, „aber fassen kann ich so etwas eigentlich nicht. Neun Millionen Zuschauer: Das sind mehr Menschen, als die Schweiz Einwohner hat.“ Als Arbeit empfindet der 42­jährige Zürcher, der 2002 in Berlin eine zweite Heimat gefunden hat und mittlerweile einen deutschen Pass besitzt, seine Tätigkeit ohnehin nicht: „Filmemachen ist meine Leidenschaft. Ich bin in der glücklichen Lage, seit zwanzig Jahren das zu tun, was ich liebe. Deshalb sage ich grundsätzlich nie bei Projekten zu, die ich nur des Geldes wegen machen würde.“

Das gilt auch für die Software, die zu­ nächst nur für den Eigenbedarf entstanden ist. Irgendwann ist aber selbst Froschmayers Technikbegeisterung an Grenzen gestoßen. Deshalb hat er sich gefragt, ob er nicht Geldgeber suchen, ein Projekt da­ raus machen und die Programmierung an Profis übergeben soll. Da er ohnehin ständig auf neue Herausforderungen aus ist, war die Antwort klar. Also hat er beim Medienboard Berlin-Brandenburg eine Förderung beantragt, eine Crowdfunding-Initiative ins Leben gerufen und schließlich bei ihm um die Ecke ein passendes Unternehmen gefunden – und fertig war das Programm mit dem Namen „Script to Movie“.

Anfangs hatte Froschmayer die Software nur für Regisseure, Kameraleute, Regieassistenten, Aufnahmeleiter und Szenenbildner konzipiert, doch dann ist ihm klargeworden, dass sie auch Kostümbildnern, Maskenbildnern, Requisiteuren etcetera zugänglich sein sollte. Jetzt verbindet „Script to Movie“ alle Gewerke des Filmschaffens in einem projektbezogenen Netzwerk und kann nicht nur für Fernseh- oder Kinofilme, sondern auch für Serien oder Werbespots genutzt werden. Er selbst hat bereits drei Filme auf diese Weise vor­ bereitet und gedreht. Ihre Feuertaufe er­ lebte die Software, als Froschmayer letztes

Jahr den „Tatort“ vorbereiten musste, während er noch „Süßer September“ drehte: „Da habe ich gemerkt, wie sehr sich der Aufwand gelohnt hat, weil ich problemlos zwischen den beiden Projekten hin und her wechseln konnte. Diese Erkenntnis war ein echter Gewinn: Ich konnte mich auf meine Arbeit konzentrieren und war trotzdem je­ derzeit über den Stand der Dinge bei den verschiedenen Departments informiert.“

Natürlich war der Schweizer nicht der erste Regisseur, der die eingangs beschriebenen Probleme hatte. Auf dem internationalen Markt gibt es bereits verschiedene Programme, die zumindest im Ansatz ganz ähnlich funktionieren, aber sie waren ihm nicht genug, „weil es dabei meist nur um Logistik ging.“ Bei „Script to Movie“ wer­ den die logistischen und die kreativen Bedürfnisse gleichermaßen berücksichtigt; und alle sind miteinander verbunden. Froschmayer ist zwar überzeugt, dass die Software das Filmemachen ganz neugestalten könnte, aber ob er damit auch Geld verdienen kann, weiß er nicht. Es scheint fast, als sei ihm das auch nicht so wichtig. Er freut sich einfach, für seine eigenen Filme jetzt „ein cooles Tool“ zu haben.

Autor:Tilmann Gangloff

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