Tagesanzeiger

30. Dezember 2009

«TATORT ist wie Champions League im Fussball»

Florian Froschmayer hat sich in Deutschland etabliert. Einen «Tatort» zu drehen, bleibt für den Thalwiler Regisseur aber weiterhin eine echte Herausforderung.

Sie haben bereits Ihre zweite «Tatort»-Regiearbeit innerhalb nur eines Jahres abgeliefert. Wie sind Sie zu diesem Job gekommen?

Es handelt sich um eine Ko-Produktion zwischen Deutschland und der Schweiz. Da war es naheliegend, einmal einen Schweizer Regisseur zu berücksichtigen. Es passte auch prima, weil Stefan Gubser und ich schon lange ein gemeinsames Projekt gesucht hatten. Wie beim ersten Dreh für diese Krimireihe hatte ich viele Freiheiten. Ich konnte sogar aufs Drehbuch Einfluss nehmen. Es wurde sogar explizit gewünscht.

Was ist das für ein Gefühl, bei einem «Tatort»-Krimi Regie zu führen?

Die Reihe «Tatort» ist im Deutschen Fernsehen so etwas wie die Champions League für einen Fussballer. Ich war sehr stolz, als ich nach fünf Monaten den fertigen Film sah. Mit den Möglichkeiten, die uns zur Verfügung standen, und trotz den grossen Wetterproblemen haben wir das Optimum aus dem Film herausgeholt.

Sie gelten als Regisseur, der nichts dem Zufall überlässt. Was müssen Sie vorkehren, um ein erfolgreiches Produkt realisieren zu können?

Ich bin einer, der für eine Produktion immer hundert Prozent gibt. Ein Film entsteht aber vor allem in der Vorbereitung. Ich muss mir jeden Schritt lange vor dem Dreh überlegen. Je besser ich mich auf die Produktion vorbereite, desto einfacher wird es, in die Tiefe zu gehen. Wenn ich weiss, was ich erreichen will, läuft mein Film nicht aus dem Ruder. Logistisch aber war mein neuer Film sehr aufwendig, besonders die Bewegungen. Neben einer Verfolgungsjagd mit Booten gibt es im Film Autofahrten, einen Autounfall und Schiessereien.

Wie viel Zeit haben Sie denn normalerweise zur Verfügung, um eine Szene abzudrehen?

Mein neuer Film entstand Anfang Jahr innerhalb eines Monats. Für viele Wiederholungen fehlt ganz einfach die Zeit. Von der ersten Drehbuchbesprechung bis zum fertigen Produkt vergingen jedoch rund fünf Monate. Dies, weil es sich um eine Ko-Produktion handelte, bei der natürlich mehr Parteien als sonst mitbestimmten.

Gibt es denn in der Schweizer Fassung andere Szenen als im «Tatort» fürs deutsche Fernsehen?

Beide Fassungen sind von den Bildern her identisch. Bei der Sprache sind die Schweizer Schauspieler einfach in Mundart zu hören.

Das Verhältnis zwischen der Schweiz und Deutschland hat auf dem politischen Parkett Schaden genommen. Funktioniert die Arbeit auf dem Filmset besser als in der Politik?

Das interessiert uns Filmschaffende nicht. Je vielschichtiger die Herkunft der Akteure und der Crew, desto spannender wird für alle die Arbeit. Es war auch eine Herausforderung, in einer winterlichen Landschaft zu drehen. Dass der Schweizer Ermittler und die deutsche Kommissarin in missliche Situationen geraten, gibt dem Film einen speziellen Touch.

Wann drehen Sie den nächsten «Tatort»?

Es laufen Vorgespräche. Eine konkrete Zusage gibt es aber noch nicht.

Haben Sie weitere Projekte?

Ich habe für den Bayerischen Rundfunk und das österreichische Fernsehen? Das Bergsteigerdrama «Die Route» gefilmt. Der Film ist fertig, aber noch ist unklar, wann er ausgestrahlt wird.

Würden Sie nicht wieder mal gerne in der Schweiz einen Film drehen?

Sicher, doch bis jetzt ist der richtige Stoff dafür nicht an mich herangetragen worden. Das Problem in der Schweiz ist, dass es viel zu wenige Projekte gibt, um als Regisseur ein Auskommen zu finden. In Deutschland hingegen ist das Filmen eine Industrie.

«Der Polizistinnenmörder», Sonntag, 3.Januar 2010, 20.05 Uhr auf SF 1.

Florian Froschmayer

Regisseur aus Thalwil

Regisseur Florian Froschmayer wurde in Thalwil geboren. Der 37-Jährige hat mit «Der Polizistinnenmörder» seinen zweiten «Tatort» abgedreht. Sein erster Fall, «Borowski und die heile Welt», wurde im Frühjahr ausgestrahlt. Die Serie Iäuft seit 40 Jahren in der ARD. im neusten Streifen spielen auch die Schweizer Schauspieler Stefan Gubser, Martin Rapold, Gilles Tschudi und Ralph Gassmann mit. Froschmayer hat in Deutschland bei rund 40 Filmen Regie geführt. Er startete seine Karriere 1993 als Cutter beim Schweizer Fernsehen, wo er neben zahlreichen Dokumentarfilmen bis 1998 über 1000 News- und Magazinbeiträge geschnitten hat. Er arbeitete als Produzent («Exklusiv») und realisierte Werbespots und Musikvideos. Froschmayer lebt heute in Berlin.

Autor: Marco Morosoli

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