Professional Production
04/2013
Kamera Mix
NICHT OHNE MEINEN ENKEL - Produktionsbericht
Am 15. März sendet die ARD den Fernsehfilm „Nicht ohne meinen Enkel“. Regisseur Florian Froschmayer und Kameramann Patrick Kaethner (bvk) drehten hauptsächlich mit der Alexa, und setzten für einige Motive auch die Nikon D4 ein, die das Material unkomprimiert über den HDMI-Ausgang ausgeben kann. Ruodlieb Neubauer hat mit beiden über die Produktion gesprochen.
Von Anfang an hat sich Großmutter Franziska (Thekla Carola Wied) mit Schwiegertochter Silke (Muriel Baumeister) nicht so richtig gut verstanden. Dann stirbt Sohn Martin (Andreas Lust) bei einem Verkehrsunfall. Als Silke die Lebensversicherung ihres Mannes nicht wie abgesprochen in die Ausbildung von Enkel Tobias (Enzo Gaier), sondern in den Lebenstraum seines Vaters investiert, die kleine Pension zu einem Familien-hotel auszubauen, kommt es zum Streit. Großmutter Franziska darf Enkel Tobias nicht mehr sehen. Zutiefst getroffen will sie sich das Besuchsrecht einklagen, um sich weiter um den Enkel kümmern zu können. Ihr Nachbar und Vertrauter Werner (Christian Kohlund) warnt sie vor den Folgen des komplizierten und auf- reibenden Gerichtsverfahrens.
Bei der Koproduktion von Degeto und ORF fungierte die MR-Film in Wien als ausführende Produktionsfirma, die Maran Film in Baden Baden als Koproduktions-Partner. Zu dem Projekt kam Regisseur Florian Froschmayer über Produzentin Sabine Tettenborn von der Maran Film, mit der er bereits einen Tatort gedreht hatte. Von den technischen Ansprüchen her ist „Nicht ohne meinen Enkel“ eigentlich kein besonders komplizierter Film, eher ein kleines Kammerspiel-Drama, das man zu 95 Prozent mit der AIexa drehte. „Da die Handlung sich über ein Jahr erstreckt und wir nur eine geringe Anzahl verschiedener Motive haben, wollten wir die Jahreszeiten im Bild mit erzählen. So gut dies eben bei einem Dreh im Juli, bei 30 Grad im Schatten ging“, meint Florian Froschmayer.
Bei-Kamera
Zwei, drei Motive waren dann doch etwas anspruchsvoller, als man dies im ersten Moment beim Lesen des Drehbuchs vermuten würde. Für Szenen im und um das Riesenrad im Wiener Prater entschlossen sich Regisseur Florian Froschmayer und Kameramann Patrick Kaethner, die Aufnahmen der Alexa mit einer Nikon D4 zu mischen. Das hatte man bereits bei der Sat.1 -Produktion „Mit geradem Rücken“ machen wolIen, die letzten November ausgestrahlt wurde. »Dort hatten wir ganz nahe an einer Hauptfigur erzählt und wollten ein paar visuelle Spielereien mit einer leichteren Kamera ausprobieren. Da kam uns der HDMI-Ausgang mit unkomprimirten 4:2:2 in Full HD bei der Nikon 4D gerade recht, erzählt Florian Froschmayer. Der Regisseur experimentiert auch gerne mit Bodymount-Anwendungen: „Mit der Arriflex SR3 geht das relativ gut, aber eine Alexa mit Optiken, Zubehör und Bodymount ist besonders für eine Frau schon eine ziemliche Belastung.“ Bei den Canon-DSLRs war es zumindest bisher nicht möglich, unkomprimiert per HDMI herauszugehen. „Die Canon EOS-1D C macht über HDMI jetzt zwar 1080p mit 50 bzw. 60 Bildern/s in 4:2:2 mit 8 Bit bzw. sogar 4K in Motion JPG auf interne CF-Karten, liegt aber preislich etwa beim Doppelten“. Leider war die Nikon dann erst einen Tag nach Drehschluss geliefert worden. Aber zumindest war man jetzt so weit, beim nächsten Filmprojekt die Kombination zu testen. Zumal bei „Nicht ohne meinen Enkel“ Achterbahnfahrten oder etwas exponiertere Einstellungen von außerhalb eines Wagens am Riesenrad vorkommen und man die Alexa nicht unnötig gefährden wollte. Das sollte dann so gut funktionieren, dass man die Nikon D4 bei einer ganzen Reihe weiterer Sondereinstellungen einsetzte.
Die Vorbereitungen für den Film dauerten, wie bei Produktionen dieser Art üblich, etwa vier Wochen. Kameramann Patrick Kaethner machte zusätzlich einige Kameratests mit verschiedenen Situationen innen und außen, um herauszufinden, wie gut sich das Material der beiden Kameras mischen ließe. „Die Farbtiefe stellt dabei gar nicht einmal das eigentliche Problem dar. Ich musste eher aufpassen, dass die Nikon D4 steiler agiert als die Alexa, Es kommt bei der D4 ganz auf die Lichtsituation an. Man darf hier eben nicht so extrem belichten wie bei der Alexa, und muss auf die D4 mehr eingehen. So ist es sinnvoll, das Bild kontrastärmer zu gestalten, indem man dem Sonnenlicht entgegen leuchtet.“ Zudem in der Nikon D4 auch kein Log C wie bei der Alexa zur Verfügung steht, wo man in Pro- Res 4444 Log C (12 Bit) auf die SxS-Karten aufzeichnete. Bei der Nikon D4 diente ein Atomos Ninja als Becorder für ProRes 422, das dort mit 10 Bit Farbtiefe gespeichert werden kann.
Allerdings gibt die Nikon das Material nur in 8 Bit aus. Auch wenn es nicht explizit im Datenblatt steht. In der Bedienungsanleitung gibt es unter „HDMI-Optionen“ jedoch die Möglichkeit, den Dynamikumfang des digital übertragenen RGB-Videosignals entweder auf 16 bis 235 zu begrenzen oder auf „vollständig“ bei 0 bis 255 zu stellen. Was dann eben 8 Bit pro Farbkanal entspricht. Unkomprimiertes Videosignal meint übrigens 4:2:2 ohne zusätzliche Software—Kompression über den HDMI-Ausgang, im Gegensatz zum intern auf CF—Karten aufgenommenen H264 MPEG-4, ebenfalls mit 8 Bit bei der Darstellung der Farbtiefe.
Genau das ist auch ein Punkt, der sehr oft vernachlässigt wird: die Anzahl der Bit sagt eigentlich noch gar nichts über den zur Verfügung stehenden Dynamikumfang aus — nur, in wie viele Einheiten dieser zerlegt wird. »lm Gegensatz zur Alexa verabschiedet sich die Nikon D4 relativ rapide in den Lichtern und Schwärzen. Dann hat man schnell einfach keine Zeichnung mehr. Eine Aussage von Kameramann Patrick Kaethner, die im Alltag um weitehilft.
Allerdings kam es auch durchaus vor, z.B. bei der Friedhofsszene, dass gar nicht die Zeit vorhanden war, große Butterflies aufzubauen. »Trotzdem hat es in diesem Fall recht gut funktioniert, mit den beiden Kameras parallel zu drehen«. An der Alexa hatte man hier das lange Alura-Zoom 45-250 mit Verdoppler, der das Bild ein wenig weicher machte und so der D4 zumindest von der Schärfe her anpasste, wie Kaethner meint. Zudem kam das Farbkonzept, das man sich überlegt hatte, der Nikon entgegen: »Wir wollten den Film in Richtung wärmere Töne schieben und sowieso etwas steiler anlegen, also satte Schwarzen haben. Dadurch konnten wir das Material auch leichter mischen - selbst bei direkten Unterschneidungen „An der D4 setzte er Nikon-Festbrennweiten mit Lichtstärke 1:1.4 ein, um hier die bestmögliche Qualität zu bekommen, an der Alexa arbeitete er mit einem Satz Ultraprimes. »Abgesehen davon, dass die Master- primes bei solch einem Projekt leider nicht bezahlt werden würden, wären die Bilder von der Qualität her auch zu weit auseinandergelegen.“
Farbwiedergabe
„Bei den Hauttönen gibt es natürlich einen Unterschied zur AIexa,“ meint Patrick Kaethner: „aber grundsätzlich gab es schon von den Darstellern her recht wenig Hautprobleme.“ Florian Froschmayer: „Die Hauttöne sehen bei den DSLR-Kameras immer etwas anders aus, wenn man dies mit der Alexa vergleicht. Das verbal zu beschreiben ist jedoch ziemlich schwierig.« Kaethner: »Auch da kam uns entgegen, dass wir von vornherein einen Look haben wollten, für den wir die Farben etwas entsättigt und in Richtung Warmtöne verschoben haben.« Bei den Tests hatte man übrigens bei der D4 bereits etwas grün herausgezogen, um die Farben möglichst neutral in die 8 Bit zu bekommen und dann so viel wie möglich Spielraum für die Postproduction zur Verfügung zu haben.
Die Alexa belichtete Patrick Kaethner durchgängig mit 800 ASA, die D4 auch bei 1600 ASA. Einen POV in einer Geisterbahn, der dann allerdings nicht in den Film kam, drehte er sogar mit 10 000 ASA. „Da war die Bildqualität zwar kein Problem, aber das Bild hat dann eben doch nicht hineingepasst,“ meint Florian Froschmayer. „Wenn man keine Menschen im Bild hat, kann man da ruhig hochdrehen. Es gibt dann zwar mehr und mehr Korn, das allerdings nicht als störendes Rauschen auffällt“, so Kaethner. Im Prater nahm man mit der Nikon D4 auch Einstellungen im Autoscooter und in der Achterbahn auf. Letztere ging leider daneben, weil die Kamera nicht fest genug angeschraubt war. Kaethner hatte den kleinen Monitor am Schoß und die D4 mit zwei Magic-Armen am Gestänge angeschraubt. Bei der zweiten Kurve lösten sich jedoch die Magic-Arme. Kaethner konnte die Kamera gerade noch fangen, das Zubehör flog. Die SSD im Atomos überlebte den Sturz aber ohne Probleme. Der Clip war sogar bis zu jenem Zeitpunkt in Ordnung, als das Kabel herausgerissen wurde: Also auch kein Problem mit einem nicht geschlossenen File, was bei manchen Kameras schon vorkommt, wenn nicht das Gerät selbst, sondern nur die darauf laufende Software abstürzt. Die Alexa und die Nikon stürzten jedenfalls nie ab, was zumindest bei der damals nagelneu herausgekommenen D4 schon als ungewöhnlich angesehen werden kann. Im Wagen des Riesenrades gab es u.a. eine Fahrt von außen ins Innere - in luftiger Höhe natürlich. „Da braucht man mit einer leichteren Kamera eben einen weitaus kleineren Aufbau“, so Florian Froschmayer. „Wir hatten einen U-Banghi auf Seitenauslegern als Rutsche benutzt und einen O-Connor-Kopf daraufgesetzt. Mit einer schwereren Kamera und umfangreichem Zubehör hätte man gleich eine Menge Gegengewicht benötigt - was sich auf den vorhandenen Platz im Waggon nicht positiv ausgewirkt hätte. Zudem hatten wir gerade eineinhalb Stunden Zeit, um dort das große emotionale Ende zu drehen.« Der Dreh fand übrigens bei laufendem Betrieb des Riesenrades statt - das Filmteam hatte nur den einen Wagen für sich. „Dabei standen Schüsse in zwei Richtungen am Plan. Von der zur Verfügung stehenden Zeit her hätten wir eigentlich zwei Waggons und zwei aufgebaute Dollies benötigt, um uns den Umbau in die Gegenrichtung zu sparen“, meint Kameramann Patrick Kaethner.
Für den Gang zwischen den Praterbuden nahm Patrick Kaethner die Nikon 4D in die Hand und machte auch selbst die Schärfe. „Das Schärfeziehen ist bei diesen kleinen Kameras eine Herausforderung, ging aber mittels eines externen Monitors ganz gut.“ Zudem arbeitete er mit Blende neun und versuchte, den Abstand so gut wie möglich gleich zu halten. Schließlich muss man bei einem Vollformat-Sensor, Nikon nennt es das FX-Format (36 x 24 mm), noch um einiges mehr auf die Schärfe aufpassen als bei Super35mm.
Handkamera-Anwendungen der Nikon D4 hielt Kaethner direkt, ohne ein Rig. „Wir hatten zwar alles da, aber ich habe dann einfach den Monitor mit einem kleinen Noga-Arm daran befestigt. Es war eben richtig Rock and Roll im Prater“. Am Friedhof hingegen wurde die D4 am Stativ aufgebaut, und der zweite Kamera- Assistent zog dann auch die Schärfe über ein Schärfenrad. Und für einen Top-Shot befestigte man die Kamera mit einem Magic—Arm einfach an einer Säule, um sie den gesamten Morgen über laufen zu lassen. Danach wurde eine brauchbare Stelle herausgesucht.
Damit hier kein falsches Bild von der Produktion entsteht: Die Nikon wurde nur für die kleinen, schnell gedrehten Schüsse eingesetzt die etwa fünf Prozent ausmachen. “Wir haben auch im Auto mit der D4 gedreht, da wir mit dem Kind nur einen sehr beschränkten Zeitrahmen zur Verfügung hatten und die Alexa nicht nach allen Regeln der Kunst einbauen konnten. Wir haben einfach eine kleine Leuchte vorgebaut, sind zwei Runden gefahren und das war dann die Einstellung“‚ so Regisseur Florian Froschmayer. Wenn, dann arbeitete Patrick Kaethner nur mit ND- und Infrarotfiltern. In Zukunft wollen Kaethner und Froschmayer noch versuchen, über Filter einen schwächeren Kontrast bei der Nikon zu erreichen.? Die Dailies wurden bei der MR-Film hergestellt, wobei man in den ersten Tagen noch kleine Korrekturen anbrachte. „lch warne die Redaktionen zwar immer schon vor, dass Log-C etwas langweilig aussieht, aber es kommen dann doch immer die Nachfragen“, meint Kameramann Patrick Kaethner. So ließ er dann ein REC 709 drüberlegen. Es ist gar nicht so abwegig zu vermuten, dass wegen Log-C manche Leute glauben, das Bild aus der Nikon D4 sähe um einiges besser aus. Geschnitten wurde bei der MR-Film auf Final Cut Pro 7, gegradet auf Nucoda bei Listo Film in Wien.
Fazit
„Wenn man in der Nikon D4 aufgezeichnetes H264- Material und die in ProRes 422 am externen Recorder gespeicherten Bilder vergleicht, liegen da einfach Welten dazwischen<<, meint Florian Froschmayer. „Die Bilder sind viel schärfer und klarer, auch die Farbtrennung ist um einiges besser. Natürlich ist eine Alexa einfach filmischer bedienbar als eine Nikon D4. Wir hatten meist keine Schärfenzieheinrichtung, von einem optischen Sucher ganz zu schweigen. Man bekommt das Signal zwar über HDMI wunderbar auf einen externen Recorder heraus, aber man müsste noch einen größeren Schärfemonitor dazwischen hängen, um sie wirklich zu kontrollieren. Das kann man leider immer erst nachher machen. Man könnte zwar das Signal durch- schleifen, aber eigentlich wird dann der Vorteil einer kleinen und leichten Kamera zunichtegemacht.“
Patrick Kaethner: „Am Anfang habe ich mich immer total dagegen gesträubt. Filme mit Kameras zu drehen, die eigentlich für die Standfotografie gebaut wurden. Vom Handling her hat sich da bis heute nicht viel verändert. Für Film sind sie eigentlich ziemlich umständlich, weil viele der dort üblichen nützlichen Hilfsmittel fehlen, die man dann in umständlichen Aufbauten nachrüstet. Bei Body-Mount-Anwendungen oder Autofahrten hingegen würde ich sie immer wieder einsetzen. Dort, wo man leicht und klein sein muss.“
Autor: Ruodlieb Neubauer