Entwickler Magazin

Mai 2015

SCRIPTtoMOVIE – All In One Lösung für Filmprofis

Porträt

Geboren 1972 in Zürich wirkte Florian Froschmayer schon als Junge in Produktionen des Züricher Kindertheaters mit, wo er im Alter von sieben Jahren von der Theaterpädagogin Rosmarie Metzenthin als künftiger Regisseur identifiziert wurde. Am 28. Februar 1985, im Alter von dreizehn Jahren, fällte er einen Entscheid fürs Leben. In Berlin drehte der motivierte Jungfilmer mehrere Folgen für TV-Serien wie „Küstenwache“ oder „Die Sitte“, bevor er den Sprung über den Teich wagte. In den USA realisierte Froschmayer seinen zweiten Kino lm „L. A. X.“. Zurück in Berlin erhielt Froschmayer das Angebot, mehrere Episoden der deutschen Erfolgskrimiserie „Tatort“ zu drehen.

SCRIPTtoMOVIE ist aus Froschmayers Frustration über schwerfällige Abläufe während der Filmarbeit entstanden. Das anspruchsvolle Computerprogramm erleichtert die Kommunikation zwischen Regisseur, Produktionsteam, Cast und Crew und eliminiert Stunden von administrativem Ballast.

Interview mit dem Regisseur Florian Froschmayer:

Frustrierende Arbeitsabläufe im Tagesgeschäft und kein Tool zu Hand, das damit umgehen kann? Das kennen wir – in dieser Situation haben wir uns schließlich alle schon einmal befunden. Einige von uns setzen sich also hin und ändern das, indem sie ein eigenes, auf die Abläufe zugeschnittenes Projekt starten. So auch Florian Froschmayer, ein Regisseur, der sich mit SCRIPTtoMOVIE aufmacht, ein komplettes Business umzukrempeln. Wir haben die Premiere des Teasers der All-in-one-Softwarelösung für Filmprofis genutzt und mit Froschmayer über seine Beweggründe für die Entwicklung von SCRIPTtoMOVIE gesprochen. Herausgekommen ist ein persönlicher Einblick hinter die Kulissen einer Branche, die vor allem vom Schein lebt.

Entwickler Magazin: Herr Froschmayer, in der Ankündigung zu Ihrer Software SCRIPTtoMOVIE heißt es, dass Sie frustriert über die schwerfälligen Abläufe während der Filmarbeit waren. Was sind das für schwerfällige Abläufe?

 

 Florian Froschmayer: Beim Film gibt es ja immer große Teams. Man fängt klein an – mit einem Autor, einem Produzenten und vielleicht noch einem Regisseur. Wenn man dann zu einem Dreh kommt, sind 40 bis 60 Leute involviert. Diese kontinuierlich und gleichmäßig auf dem aktuellen Stand zu halten, weil sie ja auch individuell ihre Sachen machen, bei denen man sich abgleichen muss, kann sehr schwerfällig sein.

EM: Auf der Website von SCRIPTtoMOVIE wird angekündigt, dass man eine Set Card für 20 Euro im Jahr kaufen kann. Was versteht man darunter?

Froschmayer: Die Set Card ist nur ein Nebenprodukt. Das Produkt selbst ist noch nicht online, da sind wir gerade im Finishing. Das eigentliche Produkt besteht darin, dass ein Team in einem geschlossenen Netzwerk einen Film vorbereiten und dann auch drehen kann, sodass im Prinzip alle Departments, egal ob Kostümbildner oder Schauspieler, in den gleichen Datenpool einpflegen. Die Set Card ist eine Ergänzung, mit der sich die Akteure präsentieren können, damit man im Casting- oder Team Findungsprozess schnell einen Überblick über Personen und Marktpositionen hat.

EM: Kann ich mir das im Prinzip wie ein firmeninternes Social Network vorstellen?

Froschmayer: Genau, ich würde es aber branchenintern nennen, da es sich ja um mehrere Firmen handelt. Die digitale Set Card hat den Vorteil, dass sich jeder eine für seine Funktion anlegen kann, also ich als Regisseur oder eben Schauspieler. Wenn ich als Regisseur mit SCRIPT- toMOVIE meinen Film vorbereite, habe ich innerhalb dieser Software ein Castingmodul, mit dem ich auf die digitalen Set Cards Zugriff habe. Diese kann ich dann in mein Projekt kopieren, mit eigenen Informationen ergänzen – vielleicht habe ich ein Castingvideo oder aktuelle Fotos gemacht, vielleicht möchte ich ein anderes Profilfoto haben, um das wiederum meinem Sender zu präsentieren – da gibt es eine große Flexibilität. Gleichzeitig ist aber alles sehr nahe beisammen.

EM: Wovon haben Sie sich dabei inspirieren lassen?

Froschmayer: Von meinen eigenen Bedürfnissen als Regisseur. Es ist natürlich so, dass es bereits Castingnetzwerke gibt, es für mich als Regisseur aber immer ein Riesenaufwand ist, aus vielen verschiedenen Netzwerken die Informationen zusammenzutragen. Die Set Card ist so aufgebaut, dass sie im Prinzip eine Sammlung von Links ist. Ich kann an einem zentralen Punkt alle Infomationen sammeln, die über eine Person durchs Internet geistern.

EM: Das heißt, Sie haben auch ein API, das die Daten automatisch aggregiert, sobald der Link angegeben ist?

Froschmayer: Nein, der Schauspieler selbst muss sich die Set Card anlegen und einmal seine Website, seine Agenturseite, seinen Showreel verlinken. Wenn das konstante Links sind, muss er nie wieder etwas pflegen.

EM: Kommen wir einmal zur technischen Umsetzung. Wie haben Sie das Projekt umgesetzt?

Froschmayer: Die Urgeschichte ist, dass ich selbst ein Technikfreak bin und schon immer gerne mit Compu- tern herumgespielt habe. Mein erster Rechner war ein C 64. Ich konnte mir das Floppylaufwerk nicht leisten und habe mir die Spiele immer programmieren müssen, konnte den Rechner also nicht ausschalten. Als ich als Regisseur anfing zu arbeiten, habe ich recht schnell mit FileMaker eine Datenbank gebaut, die meinen Regiebedürfnissen entspricht. Die ist über die Jahre gewachsen und komplexer geworden. Irgendwann kam dann das Bedürfnis dazu, einen Kameramann anzuschließen, und dann wurde alles noch komplexer. Als ich dann noch meine Assistentin angeschlossen habe, hat es meine Programmierfähigkeiten überschritten. Das war der Punkt, an dem ich überlegt habe, dass ich entweder ein Leben lang mit meiner Datenbank so weiterarbeiten muss, wie sie ist, oder dass ich das komplett neu machen lassen muss, von Leuten, die das wirklich können.

EM: Wie groß ist denn das Team, dass „das wirklich kann“?

Froschmayer: Ziemlich klein. Das ist eine kleine Firma in Berlin, die Cap & More Solutions GmbH. Auf die bin ich gekommen, weil sie Marktführer in Deutschland mit einer Künstlermanagementsoftware (agen.do) ist. Meine Agentur, die mit dieser Software arbeitet, hat mir diese Firma empfohlen. Und wie es im Leben manchmal so spielt, sitzen sie nur drei Fahrradminuten von meiner Wohnung entfernt. Dann bin ich dorthin gefahren, habe ihnen meine Idee präsentiert und wir sind zusammengekommen. Es sind im Endeffekt drei Programmierer, die da dran sitzen.

EM: ... und Sie quasi als Taktgeber.

Froschmayer: Genau, ich habe das komplette User Interface designt. Wir hatten dann ewig lange Besprechungen, weil die Programmierer natürlich erst einmal verstehen wollten, wie der Work ow beim Film ist. Das war die große Herausforderung: Einen komplett ana- logen, etwas eigenartigen Workflow, den wir Filmleute haben, auf die digitale IT-Welt zu adaptieren; so, dass ein Künstler, der etwas Respekt vor Technik hat, keine Berührungsängste hat und schnell damit zurechtkommt

EM: Sind Sie bei der Gestaltung des User Interface nach Ihren Vorstellungen gegangen oder haben Sie ein bisschen Forschung betrieben, was die User Experience angeht? Wie ist der logische Ablauf?

Froschmayer: Schon beides. Ich bin ein großer Fan von Apple und bewundere extrem, was die mit ihren Produkten in Bezug auf Bedienerfreundlichkeit machen. Wenn ich mir nur anschaue, wie meine Eltern sich an den Mac setzen und mit ihm umgehen ... Das ist das große Ziel, und die Inspiration liegt auf jeden Fall da, etwas Ähnliches zu erschaffen. Ich kann und will mich mit Apple nicht vergleichen, aber der Versuch war, ein Interface zu schaffen, das für filmdenkende Menschen logisch ist und das die Abläufe somit erleichtert. Da ich ein ästhetischer Mensch bin, habe ich mich auch an vielen Stellen entschieden, es hübsch zu machen. Wir haben dann festgestellt, dass das nicht reicht und das Tool hübsch UND bedienerfreundlich sein muss. Das ist auch eine wichtige Angelegenheit, denn wir sind eine visuelle Branche. Viel Filmsoftware, die es gibt, sieht tatsächlich nicht schön aus. Mir war es von Anfang an wichtig, dass man es gerne anguckt, weil man viel Zeit damit verbringt. Es muss einfach einladend sein und darf nicht aussehen wie eine FileMaker-Datenbank von 1982 – denn das schreckt ab.

EM: Sie sprechen von einem „analogen Workflow“. Wie unterscheidet sich der Work ow am Set von dem, was man normalerweise in einem Programm abbildet?

Froschmayer: Es gibt zwei Säulen beim Film. Die erste Säule ist das Drehbuch; davon geht alles aus. Irgendwann entsteht eine zweite Säule: der Drehplan. Der Drehplan hängt im Prinzip vom Buch ab, weil alles, was im Drehbuch steht, in diesen Plan eingearbeitet wird. Jeder, der an den Vorbereitungen zum und am Film beteiligt ist – egal, ob das Caterer oder Kostümbildner sind – hängt von diesen beiden Säulen ab. Denn die müssen das, was im Buch steht, im logistischen Zeitplan umsetzen. Das Drehbuch ist relativ konstant; in regelmäßigen Abständen von zwei bis drei Wochen gibt es mal eine neue Fassung. Der Drehplan aber ist ein komplett bewegliches Tool, das sich mehrmals am Tag ändern kann. Je näher man dem Dreh kommt, desto komplexer werden die Änderungen. Und so wird es auch für jedes Department komplexer, die Änderungen wieder auf ihr Department runterzubrechen; zum Beispiel was es bedeutet, wenn man Szene 17 nicht am Freitag, sondern am Montag probt. Bei der IT habe ich jetzt gelernt, dass alles eindeutig ist, eindeutig sein muss. Sobald mehrere Dinge dranhängen, die wieder in Beziehung stehen – zum Beispiel steht ein Schauspieler in Beziehung zu mehreren Szenen, dann hat er ein Kostüm, das wieder in Beziehung zum Schauspieler steht, dieses Kostüm kann aber auch von jemand anderem getragen werden, was dann am Ende in Beziehung steht. Mittlerweile steckt eine echt komplexe Logik dahinter, die ich auch unterschätzt habe.

EM: Sie sagen, dass es sein kann, dass es viele neue Fassungen des Drehbuchs gibt. Ist auch eine Versionsverwaltung im Tool integriert?

Froschmayer: Ja, das müssen wir haben. Schon im analogen Zeitalter versionieren wir ganz klar die Buchfassung. Stellen wir uns Folgendes vor: Wir haben eine Szene im Sitzungsraum. Da sitzen zwei Auszubildende und Sie, und wir telefonieren. Im Buch hat diese Szene zwei Motive: Der Ort, an dem ich bin und Ihr Sitzungsraum. Wir haben drei Schauspieler, die angezogen werden müssen, es gibt Requisiten, das Aufnahmegerät etc. Und jetzt kommt auf einmal jemand auf die Idee, aus der einen Auszubildenden einen Mann zu machen. Dann verändert sich ganz viel – und das ist dann die neue Buchfassung. Die wird in das System eingelesen; jemand muss manuell nachpflegen, dass aus Petra Peter wird und alles, was da dranhängt, muss angepasst werden. Dann gibt es vielleicht einen neuen Drehplan, weil der Schauspieler, der Peter spielt, heute nicht kann, sondern nur morgen ... Sie sehen, das ist extrem kompliziert. Dazu haben wir uns ein Versionierungs- und Protokollierungssystem überlegt.

EM: Was passiert mit den Daten, wenn der Film abgedreht ist? Gibt es eine Zusammenfassung, in der man sieht, dass man zum Beispiel dem Drehplan drei Tage hinterher war oder das Budget gesprengt hat?

Froschmayer: Wenn der Film gedreht ist, sind die Daten zum Film komplett irrelevant geworden. Wenn es vorbei ist, ist es vorbei. Alles hat nur so lange Gültigkeit, bis der Film gedreht ist. Aber trotzdem bleiben die Daten im System erhalten – man kann auch im nächsten Jahr nochmal darauf zugreifen. Es gibt viele Momente, in denen man denkt: „Letztes Jahr, da haben wir doch in einer Kneipe gedreht – wie hieß die denn nochmal?“ Das kann man sehr schnell raus nden, indem man das Archiv durchsieht.

EM: Gibt es Pläne, alles in ein Kompendium zusammenzutragen, sodass man eine große Datenbank erhält?

Froschmayer: Wenn man längerfristig denkt, ist es darauf angelegt. Die Schwierigkeit ist, dass es sehr viel kleiner angefangen hat. Am Ende bin ich alleinverantwortlich, ich habe meine drei Entwickler, die das programmieren. Jede Idee kostet Zeit und irgendwann auch Geld. Wir haben so viele Ideen, wie man das Programm erweitern und Ideen ein fließen lassen kann, dass wir gesagt haben, wir gehen bis zum Punkt x, mit dem kann man einen Film vorbereiten. Alles, was dann noch kommen kann – wie das angesprochene vernetzte Archiv – ist zwar angelegt, aber noch nicht mit entwickelt. Das ist spannende Zukunftsmusik.

EM: Sie haben gerade schon die Kosten angesprochen. Ich gehe davon aus, dass Sie die Kosten für das Programm selbst tragen?


Froschmayer: Ich habe zwei Jahre lang ein Crowdfunding dafür gemacht und eine Förderung vom Medienboard Berlin-Brandenburg erhalten. Der Rest sind eigene Mittel.

EM: Ist das Tool schon im Einsatz?

Froschmayer: Ja, ich habe mit meinem Team letztes Jahr schon drei Filme damit gemacht. Beim ersten Film war es wirklich noch im Rohbau und beim letzten Film, den wir im Dezember gemacht haben, war es schon sehr weit.Das ist so eine Sache: Wenn es auf einmal lebt, fühlt es sich ganz anders an, als wenn man es starr konzipiert. Als es dann gelebt hat, habe ich selbst festgestellt, dass ein paar Konzeptionsumwege drin sind. Daraufhin haben wir in der Grundnavigation nochmal etwas verändert, was sehr aufwändig war, da wir in die Grundstruktur eingreifen mussten. Der Kameramann, mit dem ich letztes Jahr einen Film gemacht habe, bereitet jetzt damit einen Film vor.

EM: Gibt es schon Interessenten außerhalb Deutschlands?

Froschmayer: Es gibt tatsächlich schon Interessenten in den USA. Denn bislang gibt es in der Breite nichts Vergleichbares. Es gibt ein paar Tools, die auch webbasiert Collaborationmäßig funktionieren, die jedoch auf den Drehplan beschränkt sind. Die ganze Kreativität spielt darin keine Rolle. Unsere Software versucht hingegen, alles unter einen Hut zu kriegen – sowohl die kreativen und inhaltlichen Belange eines Regisseurs, Kameramanns oder Schauspielers als auch die logistischen eines Produktionsleiters oder Produzenten und aller anderen Departments.

EM: Hand aufs Herz. Wenn Sie die Möglichkeit hätten, sich entweder als Regisseur oder als Kopf hinter diesem Tool einen Namen zu machen – was wäre Ihnen lieber?

Froschmayer: Vor zwei Jahren hätte ich noch gesagt als Regisseur. Heute ist es so, dass ich so viel Arbeit in das Tool gesteckt habe und schon ein bisschen stolz darauf bin, sodass ich mich schon freue, wenn es Anerkennung findet. Aber am Ende des Tages ist die Regie meine Leidenschaft. Ich habe immer gesagt, falls das Geschäftsmodell am Ende nicht funktionieren sollte, habe ich wenigstens ein gutes Tool, um meine Filme zu machen. Noch geht die Konzentration auf die Regie.

EM: Das klingt doch vielversprechend. Gibt es noch weitere Gedanken, die Sie mit uns teilen möchten?

Froschmayer: Am Anfang war die Frage, ob ich mir das Tool schützen lasse. Allerdings kann man Software an sich nicht schützen. Ich könnte die Oberflächen schützen, wenn ich das Geld dafür hätte, aber das bringt mir auch nichts. Denn wenn der Button, der bei mir eckig ist, rund wird, ist es auch schon egal. Mein Entwickler hat mir schon früh gesagt, dass er dabei gar keine großen Bedenken hat, dass es schnell Nachahmer geben wird, da das Tool sehr komplex ist und der Weg dahin sehr ungewöhnlich ist. Normalerweise überlegen sich IT-Firmen, wo es ein Bedürfnis für Software gibt und dann fragen sie Leute aus der jeweiligen Branche, was sie brauchen und was für sie programmiert werden kann. So sind wahrscheinlich viele der Filmtools, die es gibt, entstanden. Es ist schon eine außergewöhnliche Geschichte, dass sich ein Regisseur zwei Jahre die Zeit nimmt, Software für diese Bereiche zu entwickeln. Es wird immer die Frage gestellt: „Warum gibt es das noch nicht?“, und ich denke, das ist die Antwort darauf.

Autor: Tom Wießeckel

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